Krafttraining für das Dressurpferd

von Dr. Hilary Clayton

erschienen im Magazin "Dressage Today" März 1999

(Übersetzung Jenny Neuhauser)

Wenn ein Dressurpferd für ein Turnier vorbereitet wird, beinhaltet das eine Kombination aus Ausbildung und Training. Die Ausbildung lehrt die technischen Fähigkeiten, welche auf den unterschiedlichen Stufen des Wettkampfes erforderlich sind, durch sie entwickelt sich die neuromuskuläre Koordination und die mentale Disziplin. Das Training befasst sich mit der physiologischen und strukturellen Anpassung des Pferdekörpers, welche für die Ausführung der Lektionen nötig sind und das Verletzungsrisiko während des Trainings und Wettkampfes minimiert.

Trainingsarten

Ein gutes Trainingsprogramm beinhaltet drei unterschiedliche, sich gegenseitig ergänzende Typen von Training:

  • Die Kardiovaskuläre Fitness befasst sich mit der Atmung, des kardiovaskulären und des muskulären Systems, um die nötige Energie zu produzieren
  • Das Krafttraining erhöht die Kraft oder die Ausdauer spezifischer Muskelgruppen
  • Geschmeidigkeitsübungen erhöhen den Bewegungsbereich von Gelenken

Die Wichtigkeit der spezifischen Sportdisziplin

Im Pferdesport gibt es eine breite Auswahl von unterschiedlichen Disziplinen und eine gleichermassen breite Auswahl von unterschiedlichen Trainingsmethoden ist nötig, um die spezifischen Anforderungen der verschiedenen Pferde, Reiter und Sportdisziplinen zu erfüllen. Um den maximalen Nutzen aus einem Trainingsprogramm ziehen zu können, benötigt man einen individuellen Ansatz. Faktoren, wie das Alter und das bisherige Training des Pferdes, müssen genauso berücksichtigt werden, wie die Sportart, die Leistungsklasse und frühere Verletzungen des Pferdes, welche die Leistung oder die Gesundheit beeinträchtigen können.

Im Dressursport wird nicht im selben Mass eine kardiovaskuläre Fitness benötigt, wie bei einem Vielseitigkeits-, Renn- oder Polopferd, auch wenn einige Dressurpferde in diesem Bereich unzulänglich trainiert sein mögen. Geschmeidigkeit und Kraft hingegen sind äusserst wichtig, um eine gute Leistung zu zeigen. Dieser Artikel wird sich deshalb auf das Krafttraining konzentrieren, da dies im Training für höhere Leistungsklassen beim Pferdeathleten oft vernachlässigt wird.

Die Notwendigkeit des Krafttrainings

Obwohl Pferde sicherlich auch ohne spezielles Krafttraining erfolgreich sein können, ist es wahrscheinlich, dass viele aufgrund mangelnder Kraft den Höhepunkt ihres Erfolgs nicht erreichen können. Erhöhung der Muskelkraft kann nicht nur die Leistung verbessern, sondern kann auch durch die erhöhte Stabilität der Gelenke Ermüdungsverletzungen effektiver vorbeugen. Die Wichtigkeit der Stabilität von Gelenken sollte nicht unterschätzt werden: bei menschlichen Athleten geht man davon aus, dass über die Hälfte der Sportverletzungen durch geeignetes Krafttraining verhindert werden können. Die besten Resultate werden erzielt, wenn das Krafttraining auch den spezifischen Erfordernissen des Sports angepasst wird. Nicht-spezifisches Krafttraining bildet irrelevante Muskelmasse, welche sogar behindernd wirken kann. Durch das zusätzliche Gewicht wird vermehrt Energie benötigt, die Gelenke werden mehr belastet und die Wärmeabfuhr während der Bewegung wird erschwert.

Der erste Schritt erfordert nun die genaue Definition der Anforderungen an ein Dressurpferd. Weiter oben wurde angemerkt, dass Krafttraining die Kraft, die Power oder die Ausdauer eines Muskels verbessert. Also müssen diese Begriffe zuerst definiert werden.

  • Muskuläre Kraft ist die Stärke welche bei einer einzigen Muskelkontraktion produziert wird
  • Muskuläre Power ist der Zusammenhang von der Kraft und der Geschwindigkeit der Muskelkontraktion
  • Muskuläre Ausdauer ist die Fähigkeit submaximale Kontraktionen ohne Ermüdung zu wiederholen

Sportarten mit viel muskuläre Kraft und Power sind diejenigen, welche einen explosiven Ausbruch von fast maximaler Aktivität erfordern, wie zum Beispiel beim Absprung über ein Hindernis oder bei der raschen Beschleunigung aus einer Startbox. Für diese Aktivitäten wird ein Krafttraining mit hoher Intensität undrelativ wenigen Wiederholungen benötigt. Die schrittweise Steigerung wird durch Erhöhung der Intensität erzielt und weniger durch Verlängerung der Übungsdauer, so dass die Muskeln härter aber nicht länger arbeiten müssen.

Muskuläre Ausdauer wird benötigt, wenn submaximale Kontraktionen wiederholt über eine bestimmte Zeit vollzogen werden, wie z.B. bei mehreren Piaffe- oder Passagetritten. Krafttraining für die Verbesserung der muskulären Ausdauer wird mit einer niedrigeren Intensität aber einer grösseren Anzahl von Wiederholungen durchgeführt, so dass der Muskel länger statt härter arbeiten muss.

In Bezug auf die Dressur benötigt die Schule über der Erde Kraft und Power, aber das ist nicht das Ziel der meisten Reiter. Dressurpferde, welche auf einer mittleren oder fortgeschrittenen Ausbildungsstufe auf Turniere vorbereitet werden, müssen die Ausdauer der Muskeln erhöhen, die in der Versammlung aktiv sind. Diese Muskeln kontrahieren wiederholt bei jedem Schritt und mit der Verbesserung der Ausdauer dieser Muskeln ermöglichen wir dem Pferd längere Abschnitte von versammelter Arbeit durchzuführen, ohne zu ermüden. Für den grösstmöglichen Nutzen sollte das Krafttraining also auf Übungen aufbauen, welche die richtigen Muskeln aktivieren und die Beweglichkeit und Schnelligkeit der Gelenke während den Dressurlektionen nachahmt.

Wirkung des Krafttrainings

Wenn ein Pferd jeden Tag die gleiche Menge an Übungen ausführt, wird es ein bestimmtes Level an Fitness und Kraft erreichen und halten, aber es wird dieses nicht überschreiten und fitter und stärker werden. Erhöhung in Kraft resultiert aus einer allmählichen Steigerung der Übungen. Nach jeder schrittweisen Steigerung muss die neue Belastung für eine Weile erhalten bleiben, damit sich der Körper an diese neue Leistungsanforderung anpassen kann, bevor eine erneute Steigerung erfolgt. Der Wechsel von einem Belastungsschritt zum nächsten mit einer dazugehörigen Anpassungsperiode nennt man progressive Beanspruchung. Wenn das Training gestoppt oder reduziert wird, werden sich die trainingsinduzierten Veränderungen in der Muskelkraft in die entgegengesetzte Richtung entwickeln.

Der kurzzeitige Effekt einer anstrengenden Trainingslektion produziert mikroskopisch kleine Schäden im Muskelgewebe, welche normalerweise innerhalb zweier Tage abheilen. Durch den wiederholten Kreislauf von Beschädigung und Reparatur passt sich der Muskel an die erforderliche Kraft der Lektionen an. Auf lange Sicht erhöhen diese Anpassungen die Fähigkeit des Muskels, die erforderlichen Leistungen zu erfüllen.

Ungenügendes Krafttraining kann nicht genügend Anpassung produzieren, aber auch ein Zuviel an Krafttraining oder eine zu kurze Erholungszeit zwischen den Trainingseinheiten kann zu Überlastungs-Verletzungen führen. Das Risiko der Überbelastung wird reduziert durch unterschiedliche Typen von Trainingseinheiten an aufeinanderfolgenden Tagen und durch ruhigere Tage zwischen anstrengenden Trainings.

Das muskuläre System reagiert schnell auf ein Krafttrainingsprogramm, schon innerhalb weniger Wochen können signifikante Veränderungen erreicht werden. Umgekehrt aber passen sich tragende Strukturen (Knochen, Bänder, Sehnen) viel langsamer an und brauchen dafür mehrere Monate. Infolgedessen sollte besonders in den frühen Phasen eines Traininsgprogramms die Arbeitsbelastung nicht die Sehnen und Bänder überlasten.

Ist das Ziel, die muskuläre Kraft oder Ausdauer zu erhöhen, sollten Kraftübungen zwei bis dreimal pro Woche in die Trainingslektionen integriert werden. Dies ermöglicht eine gute Balance zwischen der nötigen muskulären Stimulation und genügend Erholungszeit, damit sich das Gewebe regenerieren kann. Um das jeweilige Niveau der Muskelkraft zu erhalten, ist nur einmal pro Woche eine Trainingseinheit von Kraftübungen nötig.

Krafttrainingsmethoden für Dressurpferde

Weil Pferde keine Gewichte heben oder an Kraftmaschinen trainieren können, müssen wir etwas innovativ sein, um geeignete kräftigende Übungen zu entwickeln, damit die relevanten Muskelgruppen entsprechend trainiert werden können. Training mit Steigungen, Springgymnastik, Wiederholungen von spezifischen Lektionen, die Nutzung von zusätzlichen Gewichten und das Arbeiten im tiefen Sand wurde bereits mit gutem Erfolg genutzt. Der Gebrauch einer Form des Intervalltrainings beinhaltet eine Phase intensiver Arbeit gefolgt von einem Erholgungsintervall, welches eine teilweise Erholung der Herz- und Atmungsfrequenz und der Abfuhr der angesammelten Milchsäure erlaubt. Bei Kraftübungen ist ein geeignetes Verhältnis zwischen Arbeits- und Erholungsintervallen im Bereich 1:5 bis 1:6. In anderen Worten, die Erholungsintervalle sollten 5-6 mal länger als die Arbeitsphasen sein. Während der Erholungsintervalle kann das Pferd einfachere (niedrige Intensität) Arbeit und lösende Lektionen durchführen.

Steigungen

Steigungen können in Steilheit und Richtung variieren. Steigungen bergaufwärts entwickeln Kraft in der Hinterhand. Diese Art von Übung ist vor allem in den frühen Phasen des Trainings wichtig, wenn eines der Ziele die Erhöhung der Schubkraft ist. Intervalltraining bei Kraftübungen wird bei steilen Steigungen angewendet: bergaufwärts im Schritt oder im Galopp ist die Arbeit, bergabwärts im Schritt ist die Erholung. (Es ist besser nicht steil bergauf zu traben, weil die Rotationskräfte auf das Illiosakralgelenk sehr stark sind). Steilhänge bergabwärts sollten im Schritt geritten werden, da schnellere Gangarten auch vermehrt Traumata an den Knochen und Gelenken verursachen und damit die Entwicklung arthritischer Veränderungen beschleunigen können.

Eine allmähliche Abwärtsneigung wird manchmal genutzt, um ein hohes Mass an Versammlung zu entwickeln. Die nötige Anstrengung, die Versammlung abwärts zu erhalten, ist stärker, als auf flachem Boden. Wenn das Pferd nun wieder auf flachem Grund gearbeitet wird, erscheint ihm die Arbeit einfacher. Typischerweise wird die Piaffe auf diese Weise trainiert, aber auch der versammelte Trab oder Galopp kann davon profitieren.

Springgymnastik

Der Nutzen von Springgymnastik für das Krafttraining basiert auf Gymnastiklinien, welche wiederum in Form eines Intervalltrainings genutzt werden: über die Gymnastiklinie springen ist die Arbeit, im Schritt oder leichten Trab an den Ausgangspunkt zurückkehren ist die Erholungsphase. Die Gymnastiklinie kann je nach Anzahl, Höhe und Weite der Sprünge und der Distanz dazwischen variiert werden.

Für Dressurpferde sind Gymnastiklinien, ähnlich wie die Steigungen, besonders in den Anfangsphasen des Trainings am geeignetsten, wenn die Schubkraft der Hinterhand gefördert werden soll. Die Sprünge sollten niedrig sein (ca. 50cm) und entweder als in-out oder mit einem Galoppsprung dazwischen aufgebaut werden. Bei jedem Absprung werden die Gelenke der Hinterhand auf eine ähnliche Weise gebeugt und gestreckt, wie bei der tragenden Arbeit in der Versammlung.

Die progressive Beanspruchung wird gesteigert, indem man entweder die Anzahl der Hindernisse oder die Anzahl der Wiederholungen bei gleichbleibender Höhe der Hindernisse erhöht. Für diejenigen Reiter, die selber nicht springen möchten, können ihre Pferde freispringen oder von einem anderen Reiter reiten lassen. Es ist wichtig, dass das Pferd in einer guten Manier und einem runden Rücken springt, sonst bringt das Springtraining keinen Nutzen als Krafttrainingsübung.

Sportspezifische Lektionen

Eine andere Variante des Krafttrainings ist es, Lektionen in einem Intervallformat zu wiederholen. So können zum Beispiel mehrere Wiederholungen von Piaffe- oder Passagetritten genutzt werden, um die neuromuskuläre Koordination zu verbessern und die Muskeln in einer sehr sportspezifischen Weise zu stärken, vorausgesetzt die Lektion wird korrekt durchgeführt. Wenn die Technik nicht korrekt ist, werden auch die falschen Muskeln trainiert und das Resultat hat eine schädliche Wirkung auf die Leistung.

Zum Beispiel können 6 Piaffetritte geritten werden, dann im versammelten Trab weiter auf den grossen Zirkel mit etwas Schulter- und Kruppeherein, um das Pferd zu lösen. Beim Ausgangspunkt angekommen wird die Übung wiederholt. Anfänglich könnte das Intervalltraining so aussehen, dass jeweils 4 Wiederholungen mit jeweils 6 Piaffetritten und einer Zirkelrunde Trab geritten wird. Dies könnte dreimal pro Woche an abwechselnden Tagen durchgeführt werden. Jede Woche könnte man die Anzahl der Piaffetritte (jeweils 2 Tritte) oder die Anzahl der Wiederholungen (1 Wiederholung aufs Mal) erhöht werden, um eine allmähliche Steigerung in sehr sportspezifischer muskulären Ausdauer zu gewinnen. Auf diese Weise könnte man in 9 Wochen bei 6 Wiederholungen 20 Piaffetritte reiten.

Der Ausbilder muss der natürlichen Tendenz des Pferdes entgegenwirken, kompensatorische Haltungen (z.B. die falschen Muskelgruppen) zu gebrauchen, wenn die Muskeln ermüden, da dies sehr kontraproduktiv bei einem Krafttraining ist. Sobald Müdigkeit auftritt, sollte das Krafttraining sofort gestoppt werden, auch wenn die Sequenz noch nicht beendet werden konnte, und das Pferd sollte langsam abgekühlt werden. Der Schlüssel Lektionen erfolgreich als Krafttrainingsübungen zu nutzen, liegt in genügend Wiederholungen um eine muskuläre Reaktion zu stimulieren, jedoch ohne die gute Technik zu verlieren.

Training mit Gewichten

Im Training mit Gewichten bei Pferden muss zwischen zwei Typen unterschieden werden: einerseits können die Gliedmassen in der Stützbeinphase (schiebende Phase) belastet andererseits können die Gliedmassen in der Hangbeinphase (vorschwingende Phase) belastet werden, was den Ausdruck der Bewegungen verbessern kann.

Beim Gebrauch von zusätzlichen Gewichts-Schabracken (ähnlich, wie bei Rennpferden genutzt wird) muss das Pferd stärker arbeiten. Dies kann besonders für leichtgewichtige Reiter auf grossen Pferden nützlich sein. Die Faustregel besagt, dass das Gewicht des Reiters plus Sattel mit dem zusätzlichen Gewicht bis auf 15% des Pferdegewichts erhöht werden kann. Ein Warmblut mit Stockmass 170cm wiegt typischerweise zwischen 580-680kg und könnte 87-102kg während des Trainings tragen.

Die Hinzufügung von Gewichten an den unteren Gliedmassen zielt auf die spezielle Kräftigung der Muskeln ab, welche die Gliedmassen anheben, wenn sie vorschwingen und produzieren damit einen stärkeren Ausdruck in der Bewegung. Je tiefer die Gewichte an den Gliedmassen angebracht werden, desto effektiver wirken sie. Schwerere Hufeisen sind ein Weg dieses Training durchzuführen, ein anderer wären Gewichtsglocken. Anfänglich benutzt man sie nur etwa 5min und erhöht das Gewicht und die Zeit bis auf ca. 1kg für 15min. Wenn man zusätzliche Gewichte benutzt, sollte man die Arbeit auf die versammelten Gänge (an der Hand oder unter dem Sattel) beschränken. Da das Gewicht die Schwungkraft des Beins beim Vorschwingen erhöht, besteht das Risiko, dass das Pferd die Kontrolle über das genaue Platzieren des Beins auf den Boden in den mittleren und verstärkten Gängen verliert und stolpert.

Loser, tiefer Boden

Das Pferd in einem mässig tiefen Sand arbeiten, hat einen gewissen zusätzlichen Effekt, da der Sand die Tendenz nachzugeben hat, wenn der Huf dagegen schiebt und abfusst. Um eine vergleichbare Schubkraft im tieferen Sand wie auf härterem Boden zu erreichen, muss das Pferd mehr Muskelkraft ausüben. Wie bei jeder neuen Kraftübung, sollte die Arbeit auf Sand sorgfältig und langsam aufgebaut werden. Es ist besonders wichtig, das Pferd auf Sand zu trainieren, wenn Turniere auf Sandboden gemeldet werden. Man sollte es jedoch nicht übertreiben und zu lange Arbeitseinheiten auf tiefem Sand vermeiden, um das Risiko von Bänder- oder Sehnenverletzungen zu reduzieren. Man darf nicht vergessen, dass Sehnen und Bänder viel länger als Muskeln haben, sich anzupassen.